Wir alle wissen, was wir tun: Welche Produkte wir verkaufen, welche Dienstleistungen wir anbieten oder welche Jobs wir verrichten. Einige von uns wissen, wie sie es tun: Das sind die Fähigkeiten, die unserer Ansicht nach den Unterschied ausmachen, die uns von der Allgemeinheit unterscheiden. Aber nur wenige können klar formulieren, warum sie das tun, was sie tun.
»Moment«, könnten Sie sagen. »Hand aufs Herz – arbeiten nicht die meisten Menschen für Geld? Es liegt auf der Hand, dass das ihr ›Warum‹ ist.« Doch Geld ist nur eine Folge. Obwohl es ein Teil des Ganzen ist, ist es nicht das, was uns inspiriert, jeden Morgen aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Und die Zyniker, die darauf bestehen, dass sie selbst und andere nur für Geld in die Arbeit gehen, die frage ich, warum sie Geld verdienen? Um frei zu sein? Um zu reisen? Um ihren Kindern ein angenehmes Leben zu sichern, das sie selbst nicht hatten? Der Kern ist, dass es nicht das Geld ist, das uns antreibt. Das WARUM führt zu einem tieferen Verständnis dessen, was uns motiviert und inspiriert. Es sind das Ziel, der Zweck oder die Überzeugungen, die alle Organisationen und alle persönlichen Karrieren treiben.
Warum existiert Ihre Firma? Warum sind Sie heute Morgen aufgestanden? Warum sollte sich jemand dafür interessieren? Wenn wir mit Konsumenten oder neuen Kunden sprechen, erklären wir ihnen meist, was wir tun. Wir erklären ihnen, wie wir das tun oder wie wir uns von den anderen unterscheiden. Wir glauben, das wird reichen, um das Rennen zu machen.
Die folgende Produktwerbung folgt diesem Muster:
Wir verkaufen Papier. Wir bieten die beste Qualität zum niedrigsten möglichen Preis; niedriger als alle anderen. Wollen Sie bei uns kaufen?
Das ist eine sehr rationale Argumentation. Sie stellt klar, was die Firma tut, und versucht potenzielle Käufer auf Basis von Produkteigenschaften und finanziellen Vorteilen vom Kauf zu überzeugen.
Diese Argumentation wird bisweilen funktionieren, im besten Fall wird sie zu einigen Buchungen führen. Sobald der Käufer ein besseres Angebot findet, wird er der Firma den Rücken kehren, denn die Produktwerbung unterscheidet den konkreten Anbieter in keinem wesentlichen Argument von anderen Firmen. Loyalität wird nicht durch Produkteigenschaften und Vorteile aufgebaut.
Merkmale und finanzielle Vorteile inspirieren nicht. Loyalität und eine langfristige Bindung bauen auf etwas Tieferem auf. Versuchen wir es nochmals mit unserer Produktwerbung. Beginnen wir mit dem WARUM:
Wozu ist eine Idee gut, die nicht geteilt werden kann? Unser Unternehmen wurde gegründet, um Ideen zu verbreiten. Je mehr Ideen verbreitet werden, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass diese Ideen Einfluss auf den Lauf der Welt nehmen werden. Es gibt viele Wege, Ideen zu teilen; einer davon ist das geschriebene Wort. Das ist unsere Spezialität. Wir machen das Papier für diese Worte. Wir machen Papier für große Ideen. Wollen Sie es kaufen?
Das ist etwas ganz Anderes, nicht wahr? Wenn wir mit dem WARUM beginnen, macht dies das Papier mit einem Mal attraktiv. Und wenn es das für Massenware Papier leistet, dann wird es noch besser bei einem Produkt funktionieren. Diese Werbung baut nicht auf Daten und Fakten auf, nicht auf Eigenschaften und finanziellen Vorteilen. Diese Produkte haben einen Wert, aber das ist nicht die Hauptsache. Das WARUM an erster Stelle gibt dem Argument einen tieferen, einen emotionalen und daher letztlich größeren Wert. Emotionen spielen im Verkauf eine große Rolle!
Wenn wir die zweite Werbung einsetzen, dann geht es nicht mehr um Papier. Dann geht es darum, was die Firma ist und wofür sie steht. Natürlich wird es immer Menschen geben, die einfach Papier kaufen wollen. Wenn sich jedoch Ihre persönlichen Überzeugungen und Werte mit denen decken, die in der Produktwerbung zum Ausdruck kommen, dann ist es wahrscheinlicher, dass Sie dieses Produkt kaufen wollen. Nicht nur einmal, sondern immer und immer wieder. Wahrscheinlich werden Sie auch dann loyal bleiben, wenn ein anderer Anbieter einen besseren Preis bietet.
Es sagt etwas über die Persönlichkeit des Käufers aus, wenn er bei einer Firma kauft, die seine Überzeugungen widerspiegelt. Es sind die Firmen, die inspirieren, die sich langfristiges Vertrauen und Loyalität erarbeitet haben, die uns das Gefühl geben, dass wir uns etwas angeeignet haben. Etwas, das so wichtig ist, dass wir dafür ein paar Euro mehr opfern.
Diese Bindung an etwas Übergeordnetes ist der Grund, warum wir das Trikot unseres lokalen Sportklubs tragen, auch wenn er seit mehr als einem Jahrzehnt keine Erfolge vorzuweisen hat. Dies ist der Grund, warum viele Menschen Produkte von Apple stets anderen Produkten vorziehen, selbst wenn Apple nicht immer die billigste Wahl ist.
Es ist offensichtlich, dass der Mensch kein ausschließlich rationales Wesen ist. Wenn das so wäre, würde sich niemand verlieben, würde niemand eine Firma gründen. Angesichts der minimalen Chancen auf Erfolg würde in beiden Fällen kein rationaler Mensch ein derart großes Risiko auf sich nehmen. Wir tun es dennoch. Wir tun es, weil unsere Gefühle für einen Gegenstand oder eine Person stärker sind als rationales Denken.
Doch unsere Gefühle verursachen uns Probleme. Es kann unsäglich schwierig sein, sie auszudrücken. Das ist der Grund, warum wir so oft zu Metaphern oder Analogien Zuflucht nehmen wie »Unsere Beziehung ist wie ein Zug, der mit rasender Geschwindigkeit auf eine wackelige Brücke zurast« oder »Wenn ich ins Büro gehe, fühle ich mich wieder wie ein kleines Kind, das auf den Kinderspielplatz geht«. Obwohl es so schwierig ist, Gefühle auszudrücken – es lohnt sich. Wenn wir mit Konsumenten und Kunden emotional auf einer Wellenlänge liegen, ist die Bindung stärker und tiefgehender als jede Verbindung, die auf Produkteigenschaften und Vorteilen beruht.
Das gesamte Prinzip der Frage WARUM gründet in der Biologie der Entscheidungsfindung. Die Funktionsweise des goldenen Kreises entspricht genau der Funktionsweise des menschlichen Gehirns.
Der äußere Ring des goldenen Kreises – das WAS – entspricht dem äußeren Teil des Gehirns; dem Neokortex. Das ist der Teil des Gehirns, der für das rationale und analytische Denken zuständig ist. Es hilft uns, Daten und Fakten, Eigenschaften und Vorteile zu verstehen. Der Neokortex ist unter anderem verantwortlich für die Sprache.
Die beiden inneren Ringe des goldenen Kreises – das WARUM und das WIE – entsprechen dem inneren Teil des Gehirns, dem limbischen System. Das ist der Teil des Gehirns, der für unser Verhalten und für unsere Entscheidungen zuständig ist. Er ist für all unsere Gefühle zuständig, etwa Vertrauen und Loyalität. Im Gegensatz zum Neokortex hat das limbische System keine Sprachfunktion. Das ist der Teil, dem das »Bauchgefühl« entspringt. Das kommt nicht aus unserem Magen. Es geht um unsere Gefühle, wenn wir eine Entscheidung treffen, und Schwierigkeiten haben, sie zu erklären.
Diese Kompetenzteilung ist die biologische Erklärung dafür, warum es für uns oft schwierig ist, unsere Gefühle in Worte zu fassen (»Ich liebe dich mehr, als Worte sagen können«), unsere Handlungen zu erklären (»Ich weiß nicht, welcher Teufel mich da geritten hat!«) oder unsere Entscheidungen zu rechtfertigen (»Ich hatte einfach das Gefühl, dass das das Richtige ist«).
Wir können jedoch lernen, diese Gefühle in Worte zu fassen. Diejenigen, die es tun, können sich selbst, aber auch Kollegen und Kunden besser motivieren. Wenn Sie einmal Ihr WARUM verstehen, werden Sie in der Lage sein, klar zu formulieren, was Ihnen das Gefühl der Erfüllung gibt. Und Sie werden besser verstehen, was Ihr Verhalten steuert, wenn Sie Ihr bestes Selbst sind.